1806 – 1882
Salomon I.
Nach David’s Tod bestieg, das
reich zu mehren,
Den Thron mit aller Engel
Segensgruß
Fürst Salomon, ein
Friedensgenius,
Bereit, sein Volk zu leiten und
zu lehren.
Um Weisheit bat er Gott, und
nicht um Ehren,
Um Reichthum nicht und Goldes
Ueberfluß,
Und sein Gebet erhört des Herrn
Beschluß,
So lang’ er sich von ihm nicht
werde kehren.
Sein erstes Urtheil giebt den
Weisen kund,
Jehova’s Tempel läßt er
herrlich bauen,
Und seinen Ruhm verkündet jeder
Mund.
Sabäa’s Fürstin kommt, sein
Antlitz schauen,
Als Weisester gilt er
allüberall –
Doch brachten fremde Weiber ihn
zu Fall.
Sonettino
Der Empfindung Strom den Lauf
zu lassen
In der Welt der Klänge und der
Töne,
Schön ist’s, doch das
allerschönste Schöne
Ist: Musik der Seel’ in Worte
fassen!
Schön ist’s, Formen Farben
anzupassen,
Kraft im Spiel der Muskel und
der Sehne,
Mundes Lächeln und des Auges
Thräne,
Süße Liebe bilden, bitt’res
Hassen!
Doch des Dichters Kunst, sie
ist die größte,
In dem feinsten Stoff das
Höchste lösen,
Dies- und jenseits, hier und
dort versöhnen.
Wie das Schicksal Lebensräthsel
löste.
In dem Streit des Guten mit dem
Bösen,
Herzen schmelzen, lächelnd
unter Thränen.
Wie schön bist du im hellen Sonnenschein,
Wenn Frühling mächtig wieder
ruft sein „Werde!“
Und Alles grünt und lüht, du
alte Erde,
Geliebter Schauplatz uns’rer
Kinderei’n.
Ganz sind wir dein, mit Leib
und Leben dein,
In Freud’ und Leid, in Wonne
und Beschwerde;
Du giebst den festen Grund zu
Haus und Herde,
Schlingst Rosen noch um unsern
Leichenstein.
Du schöner Stern, erglänze fort
in Frieden,
Dich hält die Hand des Herren
so wie mich,
Doch eine Seele hat er mir
beschieden.
Zur ew’gen Heimath aufwärts
schwebe ich,
Und noch im Jenseits, dankbar
inniglich,
Denk’ ich an dich, du
Mutterhaus hienieden.
Zwei alte Bäume standen dicht
zusammen,
So dicht, daß ihre Zweige sich
berührt
Und Zwiesprach’ flüsternd
manches Jahr geführt,
Wie Brüder, die von einer
Wurzel stammen.
Da, einer Donnerwolke blitzend
Flammen
Und Treffen hat der Eine einst
verspürt,
Das zuckend sich von Haupt zu
Füß verliert,
Im Rindenpanzer furchte tiefe
Schrammen.
Wohl grünt er noch so manchen
Frühling wieder,
Doch seit dem Schlag ist er
gelähmt, ergreist,
Und modernd schwindet seines
Schaftes Kern.
Ein Herbststurm wirft den
morschen Leichnam nieder
Und einsam steht der Andre,
stumm, verwaist –
Bald wird er folgen und, ich
denke, gern.
Dein Geist umschwebt mich,
hocherhabner Dante,
Der lebend durch der Hölle
Gluth geschritten,
Vom Fegefeu’r zu Paradieses
Mitten
In kühnem Schwung der Seele
Flügel spannte.
Den seine eigne Vaterstadt
verbannte,
Für deren Macht und Größe er gestritten,
Für deren Ruhm und Ehre er
gelitten,
Und die ihn erst nach seinem
Tod erkannte.
Verbannt auf Erden, hast du dir
erworben
Ein Reich des Jenseits, das als
Herrn dich ehret
Und wo du ewig lebst und nie
gestorben.
Auf deinen Thron hast du die Braut
erhoben,
Die sel’ge Beatrice,
sangverkläret,
Und um ihr Haupt den
Sternenkranz gewoben.
„Unsterblichkeit“ hast du mir
prophezeiht,
Du anmuthreiche, reizende
Sibylle!
Tönt aus so schönem Mund des
Schicksals Wille,
Wer wäre nicht zu glauben gern
bereit?
Denn wie dein Anblick schon das
Herz erfreut
Durch aller Schönheit Reiz in
Jugendfülle,
Erweckt uns deines Geistes
sinn’ge Stille
den heil’gen Schauer der
Unendlichkeit.
Im köstlichen Gefäß den
Göttertrank,
Des Himmels Kraft in Erdenhuld
versenkt,
Nichts Höheres kann auch die
Allmacht spenden.
Mein Auge weiht entzückt dem
Schöpfer Dank,
Doch ihn beneid’ ich, der aus
deinen Händen
Der Liebe allerhöchste Gunst
empfängt.
Die Kinderseelen, die zum
Himmel fliegen,
In voller Unschuld aus den
kleinen Herzen,
Sie flattern lieblich unter
sel’gen Scherzen,
Wie bunte Falter sich im Aether
wiegen.
Doch die aus schwergeprüfter
Brust entstiegen,
Die Seelen, die nach Lebens
Lust und Schmerzen,
Wie Flammen durch den Sturm verlöschter
Kerzen,
Im bittern Kampfe erst dem Tod
erliegen –
Sie schweben auf wie Schaaren
Silberschwäne,
Die aus dem Winter in den
Frühling ziehen,
Noch perlt im sel’gen Blick
verklärt die Thräne.
Mit der Zurückgeblieb’nen Leid
und Mühen,
Ein heilig Mitleid dämpft ihr
eigen Glücke,
Wie Goldgewölk der Sonne
Strahlenblicke.
Ach, wenn der Lenz nicht immer
wieder käme
Und Gras und Laub und frische
Blumen brächte,
Nicht lichter Tag mehr folgt’
auf dunkle Nächte,
Viel leichter wär’ es, daß man
Abschied nähme.
Daß sie der Seele
Götterschwingen lähme,
Verstrickt uns Lust in
Sinnenreizgeflechte,
Der freie Geist vergiebt des
Himmels Rechte,
Daß er dem Joch der erde sich
bequeme.
Der Kerker lacht, von Golde
sind die Ketten,
Die Freiheit aber ist und
bleibt verloren,
Bis uns der Tod erlöst vom
eitlen Sehnen.
Der stille Engel kann allein
uns retten
Von jener großen Schuld, daß
wir geboren,
Der auch ein Mann, darf weinen
bitt’re Thränen.
Wenn Himmelsschönheit die
Begier entzündet,
Die engel und die Teufel sich
bekriegen
Und, ach! die Engel Gottes
unterliegen,
Weil mit den Teufeln sich das
Blut verbündet;
Im schwersten Sturm der
Steuermann erblindet,
Und wilde Wünsche, heißer Gluth
entstiegen,
Das arme Herz belügen und
betrügen –
Wo ist der Mensch, der da den
Wahrspruch findet?
Wo ist der Richter und wo ist
der Retter,
wenn sich die Liee selbst
verkehrt in Fluch
Und an die Shuld sich die
Verzweiflung kettet?
O Herzeleid für Menschen und
für Götter!
Doch aus den Wolken hallt des
Engels Spruch:
„Sie ist gerichtet und sie ist
gerettet!“
Im raschen Fluge regt die Zeit
die Schwingen,
Die Tage kommen, die wir alle
hassen,
Da gilt es, ernst und männlich
sich zub fassen,
Vergangenheit kann Nichts mehr
wiederbringen.
Die kräftig braun um meine Schläfe
hingen,
Die Locken, bleichen und die
Wangen blassen,
Doch hast Du mir noch Kraft im
Mark gelassen,
Und Manches noch kann reifem
Sinn gelingen.
So laß mich denn mit frisch
erneutem Triebe
Gelegenheit am kahlen Schopf
ergreifen,
Am Schöpfungswerke regen treu
die Hände.
Den Geist erneut die Arbeit nur
und Liebe,
Nichts hilft es träumerisch in’s
Leere schweifen,
Dem Tapfern nur reicht seinen
Kranz das Ende.
Von Thal zu Berg, vom Berg zum
Thale nieder,
Durch öde, rauhe Klippen mußt
du wallen,
Ob dich des Todes Schrecken
überfallen,
Nur muthig vorwärts, wenn auch
immer müder.
Des Glaubens Kraft stärkt deine
matten Glieder,
Und mitten durch des Grabes
dunkle Hallen
Laß deine Siegespsalmen laut
erschallen,
O Seele, deine
Himmelspilgerlieder.
Kreuzfahrer sind wir nach dem
heil’gen Lande,
Auf uns’rer Brust das heil’ge
Bundeszeichen
Macht Leid und Noth uns süß und
angenehm.
Die Ferne glüht im
Abendsonnenbrande,
Und wenn des Erdentages
Strahlen bleichen,
Erglänzt in Himmelslicht
Jerusalem.
Gedenken sollst du heute,
sollst bedenken,
Woher du kommst, o Mensch,
wohin du gehest,
Ob du zum Falle neigest oder
stehest,
Ob deine Schritte auf-, ob
abwärts lenken.
In die Vergangenheit sollst du
versenken
Den Prüfungsblick, auf daß du
deutlich sehest,
was deiner Zukunft Noth, und du
erflehest,
was dir die ew’ge Gnade möge
schenken.
Erinnern sollst du dich im
tiefsten Wesen,
erneuern am Vergangenen,
Durchlebten,
Vom Diesseits hier zum Jenseits
dort erheben;
Die Himmelsschrift in gold’nen
Sternen lesen,
Und aus den Träumen, die dich
hier umwebten.
Die Wahrheit finden und das ew’ge
Leben.
Lenkt
meinen Kiel dahin ein günstig Wehen
Und
wird mein müder Blick es endlich sehen?
Ich
frage nicht, ich folge meinem Sterne.
Halt’
aus, mein Herz, bis ich es endlich lerne,
Ein
Götterhauch muß uns’re Segel blähen,
Hoch
über alles Wissen und Verstehen,
Der
Glaube nur erreicht das ewig Ferne.
Gewißheit
ruht jenseits von Erdentagen
Und
ungewiß ist jedes Strebens Loos,
Erkämpfen
mußt du dir, was ewig groß.
erschleichen
läßt sich’s nicht und nicht erzagen;
Ein
festes Hoffen nur, ein muthig wagen
Reißt
die erfüllung aus der Zukunft Schooß.
Die
alte Schlange führt die Höllenmächte,
Daß sie
dem Geist die Schöpferthat verwehre
Und
seinen Götterschwung in Kleinmuth kehre,
Wenn
Sonne schwand, heimtückisch zum Gefechte.
Ihr
grimmen Ungeheuer dunkler Nächte,
Der
trüben Sorgen wilde Geisterheere,
Drückt
wie der Alp das Herz mit Centnerschwere,
Ihr
macht mich dennoch nicht zum feigen Knechte.
Was ich
am Tag mit Fleiß und Müh’ gemacht,
Begrinst
ihr Teufelsfratzen in der Nacht,
Daß
euer Hohn mein Schaffen mir verwirre.
Du ewig
Licht! erleuchte meine Seele,
Daß
keine Höllenlist mich äff’ und irre,
Dein
Geist behüte mich vor wahn und Fehle!
Zu des
Parnassos steilen Wolkenhöhen
Kein
Sterblicher kann Zugang je erringen,
Trägt
nicht der Genius auf Adlerschwingen
Zum
Gipfel ihn, wo Götterlüfte wehen.
Denn
diamant’ne Mauern ringsum stehen,
Von
Kraft und Weisheit nimmer zu durchdringen,
Orakelstimmen
ernst und warnend klingen,
Kein
Sturm erzwingt den Eingang und kein Flehen.
Castalia’s
Quell fließt durch das Steingehege;
Wenn er
versiegt – es tritt zuweilen ein –
Läßt er
den Durchgang in der Mauer offen.
Dann
schleicht Gezücht auf diesem Hinterwege,
Die
Bücherwürmer, in den heil’gen Hain,
Der
bald vom Lorbeer-Raupenfraß betroffen.